Fachanwaltschaften, Spezialisierungen und das „rechtssuchende Publikum“

Nicht jeder, der Kopfschmerzen hat, braucht einen Neurologen.

Es gibt den Fachanwalt für:

Fachanwalt für Agrarrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Familienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
und
den Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

Wie sieht dies in der Praxis aus?

Es ruft ein Mandant an:

„Machen Sie auch Sozialrecht?“
„Ja. Um was geht es denn ?“

„Kindergeld.“

„Kindergeld ist eigentlich Steuerrecht.“

„Die Behörde hat einen Scheck geschickt, der soll weg sein, aber ich brauche das Geld. Die zahlen erst in vier Monaten.“

Ich grüble etwas über Erfüllungswirkungen, was ja eigentlich Zivilrecht ist.

Auf der Frage, wie die Beratung bezahlt werden soll:
„Ich werde noch einen Beratungshilfeschein beantragen und komme dann vorbei. Ich bin ALG2-Empfänger.“

Jetzt sind wir wieder im Sozialrecht. Denn sollte die Behörde wirklich erst in vier Monaten zahlen, dürfte sich die Frage stellen, wie der potentielle Mandant in der Zwischenzeit an seinen vollen Regelsatz kommt und wie man mit einer Anrechnung nach dem Zuflussprinzip in vier Monaten umgeht. Das war aber noch gar nicht sein Anliegen.

Aber am Ende doch eine sozialrechtliche Frage.

Schon gewußt ?

Von allen am BGH zugelassenen Rechtsanwälten ist keiner Fachanwalt.

BaföG-Rückforderung und die Wirkungen von § 80 VwGO

Nicht nur das JobCenter hat Probleme mit den Wirkungen von Widerspruch und Anfechtungsklage umzugehen (siehe hier. )

Auch das Studentenwerk als Amt für Ausbildungsförderung rechnet gerne mal mit Rückforderungen während eines eingelegten Rechtsmittels auf.

So geht das natürlich nicht, denn auch bei der Aufrechnung des Studentenwerkes bei BaföG gilt:

Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung

Insofern wird hier der Hinweis wiederholt;

Der Betroffene wird daher gegen den Erstattungsbescheid Widerspruch bzw. Anfechtungsklage erheben (eine anwaltliche Vertretung ist hierbei angezeigt, hierbei gibt es die Möglichkeit Beratungshilfe oder Prozeßkostenhilfe für das gerichtliche Verfahren zu beantragen).

Rechtsanwalt Kay Füßlein, Scharnweberstraße 20, 10247 Berlin, http://www.ra-fuesslein.de

BVG, S-Bahn, Erhöhtes Beförderungsentgelt, Schwarzfahren, Inkassobüros und Verzug

Den Fahrschein vergessen oder einfach mal Schwarzgefahren kann recht teuer werden.

Die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den
Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen
sieht hierfür immerhin 40 Euro als Strafe an (Warum es kein Schadensersatz ist, kann ich bei Gelegenheit erklären).

Die Verkehrsunternehmen treiben die Summe entweder vor Ort ein oder schicken die Sache über ein Inkassobüro an den Schwarzfahrer.

Und dann verläßt die Nummer den Boden des Schadensersatzrechtes.

Es hätte nämlich so zu laufen:

Fälligkeit der Leistung
Mahnung
Verzug

Die Kosten der Inanspruchnahme eines Inkassobüros sind erst dann ersatzfähig, wenn Verzug eingetreten ist.

Nun müsste Verzug eingetreten sein.

Da es sich bei den 40 € um vertraglichen Schadensersatz handelt, muß -untechnisch gesprochen- entweder eine Zahlungsfrist eingehalten worden sein und eine Mahnung erfolgen.

Nun sehen die Bestimmungen der BVG, der S-Bahn Berlin und wahrscheinlich vieler weiterer Verkehrsunternehmen vor, daß innerhalb von 14 Tagen Verzug eintritt. Das Inkasssobüro begehrt deshalb regelmäßig Inkassokosten.

Damit ist jedoch kein Verzug eingetreten!(und die Inkassokosten nicht ersatzfähig)

Nach § 286 BGB tritt Verzug dann ein :

“ § 286 Verzug des Schuldners

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
1.für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt“.

Huh. Abs. 2 SNr. 2 BGB passt ja!

Nein!

Den Abs. 3 sieht vor:

„(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. “

Ach ja.

Ab jetzt befindet sich dann der Schuldner/Schwarfahrer in Verzug. Die Tätigkeiten des Inkassobüros sind erst ab diesem Zeitpunkt ersatzfähig.

Nein!

Denn § 309 Nr. 4 BGB sieht vor, daß diese Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich ist.
Sofern hier die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen anwenbar sind (davon ist auszugehen, da die AGBen der BVG von der o.g. Verordnung diese in diesem Punkt erheblich ändert), tritt gar kein Verzug ein, da kein wirksamer Hinweis vorliegt.

Es stellt sich jedoch dann die Frage ob ein Großunternehmen wie die S-Bahn Berlin oder die BVG nicht eine eigene Schadensabteilung haben, die die Sache gleich selbst machen könnte.

ALG II PKV BSG UND JC

War zwischen den Instanzgerichten lange umstritten, ob auch die Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Rahmen des Bezuges von Hartz IV zu tragen sind, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 18.01.2011 eine Entscheidung zu Gunsten der vom (Wieder-) Eintritt die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossenen Bezieher von Hartz IV gefällt.
Das die Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Regelsatz nicht zu zahlen sind (der Basistarif ist fast doppelt so hoch, wie der ALG II Satz) beutete dies in der Vergangenheit für privat krankenversicherte Hartz IV Empfänger eine erhebliche Verschuldung, entweder privat oder bei der Krankenkasse.

Soweit, so schön.

Nun hat mein Mandat, der irgendwie die Beiträge ( er hat zum Glück einen Tarif, der nur unwesentlich höher ist als der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung ) diesen bislang aus seinem Regelsatz, Ersparten und dem Dispo gezahlt. Widerspruch gegen die Nicht-Übernahme hat er vor rund einem Jahr eingelegt.

Der Mandat- ein ehemaliger Angestellter großer Technologiefirmen- begehrte nach Nachricht über das oben genannte Urteil nunmehr die Beiträge zu PKV.

Aber Achtung, Hinweis: Nach § 12 des VAG haben privat versicherte in der privaten Krankenversicherung nur die Hälfte des Basisbeitrages zu leisten. Hierüber wird eine Bescheinigung erteilt. In der dieser Höhe übernimmt sollte dann das Jobcenter den Beitrag übernehmen. ALso übernimmt das Jobcnter regelmäßig 287,72 € bei privat versicherten Hartz IV-Empfängern.

Man muß sich insofern befreien lassen.

Ea war nur keiner dar und fühlte sich für meinen Mandanten zuständig. Ein Blatt Papier mit Fragen gab man ihm mit. Davon kann er aber schlecht die Versicherung zahlen.

Somit bleibt auch wieder nur der leidige Weg vor das Sozialgericht.

Der langsame Flug und das schnelle Anerkenntnis

Der Mandant wollte eigentlich nur nach Berlin. Von Barcelona aus. Mit einem Flugzeug.

Das flog dann drei Stunden verspätet in den organgen Sonnenuntergang.

I. Teil

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Der Mandant schrieb die orange Fluggesellschaft an und verlangt Entschädigung für die vergeudete Zeit unter Berufung auf die Fluggastentschädigungrichtlinie.

Es folgte eine Antwort-Mail in dem die Ansprüche zurückgewiesen worden.

Ia. Intermezzo

Ich schrieb die Fluggesellschaft an.

Und blieb ohne Reaktion.

Ich schrieb die Fluggesellschaft nochmals an.

Die Fluggesellschaft erkannte an und überwies.

800 € , wie es die Fluggastentschädigungsrichtlinie vorsieht.

Schön.

II. Teil

Ich wies die Fluggesellschaft darauf hin, daß irgendwo da oben Verzug eingetreten war und dementsprechend die Kosten meines anwaltlichen Tätigwerdens für die Beitreibung der Entschädigung nach der Fluggastentschädigungsrichtlinie (fast genau ein achtel netto der Entschädigung meines Mandaten) zahlen seien.

Sinngemäß kam folgende Antwort:

Nein

Ich verwies auf die entsprechende Rechtsprechung. Und mit der Tatsache, daß der EG-Richtliniengeber eine schnelle Entschädigung beabsichtigt, war das Regulierungsverhalten der Fluglinie auch nicht zu vereinbaren.

III. Mahnbescheid

Es wurde ein Mahnbescheid über die Rechtsanwaltskosten gefertigt.

Es wurde Widerspruch eingelegt.

III.

Für Klagen gegen Fluggesellschaften ist u.a. das Amtsgericht des Zielflughafens zuständig.

Es wurde also Klage vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen (für: Schönefeld) erhoben.

IV.

Es wurde eine Klageschrift geschrieben und die e-mail des Mandanten ausgedruckt angehangen. Es war ein dicker Brief.

Es erfolgte ein Klageabweisungsantrag einer Großkanzlei, deren Studensätze die Klageforderung wohl bei weitem überstiegen haben.

V.

Die Fluggesellschaft, vertreten durch die Großkanzlei erkannte an und zahlte.

V.

Ende.

Liebigstraße 14, Tumulte, Krawalle, Schadensersatz und das Tumultschadensgesetz

„Gelungene Revolutionen sind ein Fall für die Historiker, misslungene ein Fall für den Staatsanwalt“ , verkündet mein Lehrbuch zur Allgemeinen Staatslehre.
In beiden Fällen – so möchte man hinzufügen- auf jeden Fall aber auch für Versicherungen (und vielleicht für die Staatskasse).

Denn es stellt sich die Frage, wer für „Chaosschäden“, Krawalle, Aufstände und Demonstrationen haftet. Die Täter bleiben ja meist unerkannt.
Hierfür wurde das „Tumultschadensgesetz“ (Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden) von 1920, welches eigentlich die Ersatzpflicht für die durch die revolutionären Aufstände hervorgerufenen Schäden regulieren sollte, geschaffen.
Und dieses Gesetz ist bis heute in Kraft.

Im Jahr 2003 hat das OVG Berlin den Anwendungsbereich des Tumultschadensgesetzes auf die historischen Absichten des Gesetzgebers- nämlich Schadensersatz für „revolutionäre“ Aufstände- eingeschränkt.

Schadensersatz für Krawalle gibt es dann, so führt das Gericht aus:

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TSchG bestehen wegen der Schäden, die an beweglichem und unbeweglichem Eigentum im Zusammenhange mit inneren Unruhen durch offene Gewalt oder durch ihre Abwehr unmittelbar verursacht werden, nach Maßgabe dieses Gesetzes Ersatzansprüche gegen das Land, in dem der Schaden entstanden ist

Während der Kläger mit seinem Entschädigungsanspruch vor dem OVG unterlag, weil die Gewalttätigkeiten am 1.Mai jedes Jahr stattfinden, dürfte zu spontanen Krawallen die Sache streitig sein:

Nach der Definition des Reichsversorgungsgerichts (Entscheidung vom 16. Dezember 1924, wiedergegeben bei Waschow, JW 1925, 1236) sind innere Unruhen im Sinne des § 1 TSchG von innen heraus sich entwickelnde Bewegungen, welche über eine engere räumliche Abgrenzung oder einen begrenzten Personenkreis hinaus die Ruhe weiterer Volksschichten stören, ohne Unterschied der Beweggründe. Es komme auf den Umfang der Auswirkung der Unruhen auf das normale öffentliche Leben an. Es seien also nicht nur politische Bewegungen, sondern auch andere, z.B. wirtschaftliche, zu den inneren Unruhen zu rechnen, sofern dadurch weitere Bevölkerungsschichten mit dem Gefühl der Sorge um die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung erfüllt würden. Die Auswirkung der Unruhen auf die Allgemeinheit sei von ihren Beweggründen unabhängig. Wann ein solcher Unruhezustand vorliege, sei Tatfrage. Es genüge einerseits nicht, dass die örtlich und in ihrer Wirkung begrenzt bleibenden Bewegungen in erhebliche Gewalttaten ausarteten. Andererseits sei es auch nicht erforderlich, dass die Autorität der öffentlichen Sicherheitsorgane ausgeschaltet sei; auch wenn diese der Bewegung Herr würden, könne sehr wohl die Ruhe der Allgemeinheit gestört sein.

Das Gericht schränkt in der nachfolgenden Begründung die Sache noch ein wenig ein um dann zu der Feststellung zu gelangen, dass:

Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass es in Teilen der Bezirke Kreuzberg und ggf. Prenzlauer Berg alljährlich erstmals am Abend des 30. April (so genannte Walpurgisnacht) und sodann spätestens in den Nachmittags- und Abendstunden des 1. Mai, in der Regel im Anschluss an Demonstrationen, zu Ausschreitungen kommt. Ebenso bekannt ist jedoch, dass diese Vorgänge noch in der Nacht des 1. zum 2. Mai zum Erliegen kommen und am nachfolgenden Tage unter Hinterlassung entsprechender Schäden Ruhe eingekehrt ist.

Da im Zusammenhang mit der Räumung der Liebigstraße 14 und den nachfolgenden Demonstrationen, Tumulten und Krawallen die Sache noch nicht ausgestanden ist, dürfte insofern zumindest auf den ersten Blick die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entschädigung auf Schadensersatz nach dem Tumultschadensgesetz bestehen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Entschädigungsanspruch auf Schadensersatz, der im übrigen auf 75 % begrenzt ist, nur dann gezahlt wird, wenn eine die Gefährdung einer bestehenden wirtschaftlichen Existenz vorliegt.

Zuständig für die Regulierung von Schäden ist im Übrigen die Senatsverwaltung für Finanzen.

Rechtsanwalt Kay Füßlein, Scharnweberstraße 20, 10247 Berlin, http://www.ra-fuesslein.de