„Gelungene Revolutionen sind ein Fall für die Historiker, misslungene ein Fall für den Staatsanwalt“ , verkündet mein Lehrbuch zur Allgemeinen Staatslehre.
In beiden Fällen – so möchte man hinzufügen- auf jeden Fall aber auch für Versicherungen (und vielleicht für die Staatskasse).
Denn es stellt sich die Frage, wer für „Chaosschäden“, Krawalle, Aufstände und Demonstrationen haftet. Die Täter bleiben ja meist unerkannt.
Hierfür wurde das „Tumultschadensgesetz“ (Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden) von 1920, welches eigentlich die Ersatzpflicht für die durch die revolutionären Aufstände hervorgerufenen Schäden regulieren sollte, geschaffen.
Und dieses Gesetz ist bis heute in Kraft.
Im Jahr 2003 hat das OVG Berlin den Anwendungsbereich des Tumultschadensgesetzes auf die historischen Absichten des Gesetzgebers- nämlich Schadensersatz für „revolutionäre“ Aufstände- eingeschränkt.
Schadensersatz für Krawalle gibt es dann, so führt das Gericht aus:
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TSchG bestehen wegen der Schäden, die an beweglichem und unbeweglichem Eigentum im Zusammenhange mit inneren Unruhen durch offene Gewalt oder durch ihre Abwehr unmittelbar verursacht werden, nach Maßgabe dieses Gesetzes Ersatzansprüche gegen das Land, in dem der Schaden entstanden ist
Während der Kläger mit seinem Entschädigungsanspruch vor dem OVG unterlag, weil die Gewalttätigkeiten am 1.Mai jedes Jahr stattfinden, dürfte zu spontanen Krawallen die Sache streitig sein:
Nach der Definition des Reichsversorgungsgerichts (Entscheidung vom 16. Dezember 1924, wiedergegeben bei Waschow, JW 1925, 1236) sind innere Unruhen im Sinne des § 1 TSchG von innen heraus sich entwickelnde Bewegungen, welche über eine engere räumliche Abgrenzung oder einen begrenzten Personenkreis hinaus die Ruhe weiterer Volksschichten stören, ohne Unterschied der Beweggründe. Es komme auf den Umfang der Auswirkung der Unruhen auf das normale öffentliche Leben an. Es seien also nicht nur politische Bewegungen, sondern auch andere, z.B. wirtschaftliche, zu den inneren Unruhen zu rechnen, sofern dadurch weitere Bevölkerungsschichten mit dem Gefühl der Sorge um die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung erfüllt würden. Die Auswirkung der Unruhen auf die Allgemeinheit sei von ihren Beweggründen unabhängig. Wann ein solcher Unruhezustand vorliege, sei Tatfrage. Es genüge einerseits nicht, dass die örtlich und in ihrer Wirkung begrenzt bleibenden Bewegungen in erhebliche Gewalttaten ausarteten. Andererseits sei es auch nicht erforderlich, dass die Autorität der öffentlichen Sicherheitsorgane ausgeschaltet sei; auch wenn diese der Bewegung Herr würden, könne sehr wohl die Ruhe der Allgemeinheit gestört sein.
Das Gericht schränkt in der nachfolgenden Begründung die Sache noch ein wenig ein um dann zu der Feststellung zu gelangen, dass:
Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass es in Teilen der Bezirke Kreuzberg und ggf. Prenzlauer Berg alljährlich erstmals am Abend des 30. April (so genannte Walpurgisnacht) und sodann spätestens in den Nachmittags- und Abendstunden des 1. Mai, in der Regel im Anschluss an Demonstrationen, zu Ausschreitungen kommt. Ebenso bekannt ist jedoch, dass diese Vorgänge noch in der Nacht des 1. zum 2. Mai zum Erliegen kommen und am nachfolgenden Tage unter Hinterlassung entsprechender Schäden Ruhe eingekehrt ist.
Da im Zusammenhang mit der Räumung der Liebigstraße 14 und den nachfolgenden Demonstrationen, Tumulten und Krawallen die Sache noch nicht ausgestanden ist, dürfte insofern zumindest auf den ersten Blick die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entschädigung auf Schadensersatz nach dem Tumultschadensgesetz bestehen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Entschädigungsanspruch auf Schadensersatz, der im übrigen auf 75 % begrenzt ist, nur dann gezahlt wird, wenn eine die Gefährdung einer bestehenden wirtschaftlichen Existenz vorliegt.
Zuständig für die Regulierung von Schäden ist im Übrigen die Senatsverwaltung für Finanzen.
Rechtsanwalt Kay Füßlein, Scharnweberstraße 20, 10247 Berlin, http://www.ra-fuesslein.de