Rechtsprechungsübersicht Zwangsrente

Um die Arbeitsmarktstatistik zu bereinigen, werden jenen ALG II-Empfängern, die das 63. Lebensjahr vollenden,  Aufforderungen zu Beantragung einer vorgezogenen Altersrente übersandt ( § 5 SGB II und §12a SGB II).

Nachfolgend soll kurz ein Überblick über Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben werden.

1. Zeitpunkt der Aufforderung

Die Aufforderung kann erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres erfolgen. Aufforderungen, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres auffordern, „umgehend nach Erhalt dieses Schreibens“ Rente zu beantragen sind rechtswidrig.

 

Vielmehr sollte man erwägen, umgehend nach Erhalt Widerspruch einzulegen und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zustellen.

2. Verletzung von Mitwirkungspflichten

Im Falle der Nichtbeantragung von Rente dürfen die Leistungen NICHT nach § 60 SGB I, § 66 SGB I eingestellt werden. Wenn der Leistungsträger der Meinung ist, es müsse Rente beantragt werden, kann er dies selbst tun (LSG Sachsen-Anhalt, 12.01.2009 – L 5 B 284/08 AS ER)

3. Ausübung von Ermessen

Die Aufforderung, die vorgezogene Altersrente zu beantragen,ist eine Ermessensentscheidung. Sie muß also nicht zwangsläufig ausgesprochen werden, sondern die Behörde (JobCenter, Kommune) muß sozusagen, alles was für und gegen die den Rentenbezug spricht, gegeneinander abwägen (vgl. hierzu diesen Beitrag: Beschluss des SG Berlin vom  om 04.04.2014  S 167 AS 6266_14ER  oder diesen Beitrag)

Hier im übrigen ein Bescheid, der alles falsch macht, was man falsch machen kann:

Alles Falsch

 

Der Aufforderungsbescheid    ist die häufigste Fehlerquelle. So muß nämlich zuvor der Sachverhalt (Rentenhöhe,Abschläge etc.) hinreichend ermittelt werden.

Bereits gegen die Aufforderung zur Beantragung müssen Rechtsmittel ergriffen werden, wobei angesichts der Tatsache, das hier schwierige juristische Fragen sich stellen, sich rechtlicher Rat gesucht werden sollte.

 

Mehr als einem Mandanten wurden derartige Schreiben (Erledigungserklärung) vom Sozialgericht übersandt, daß man den selbst gestellten  Rechtsschutzantrag zurücknehmen solle:

 

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Was sich jedoch im Ergebnis nicht ratsam war, da sich das Verfahren wegen bekannter Rechtslage dann doch erfolgreich war (Beschluss des SG Berlin vom 10.10.2014  ).

So ist die Zwangsverrentung rechtswidrig, wenn dauerhaft SGB XII-Leistungen bezogen werden müssten, obwohl die abschlagsfreie Rente mit 65 dauerhaft Hilfebedürftigkeit vermieden werden kann (z.B.: Beschluss des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg vom    25.06.2014 – L 31 AS 800/14 B ER).

 

Auch eine bestehende Eingliederungsvereinbarung „schützt“ vorläufig vor der Beantragung der Rente (    Beschluss des LSG BRB zur vorgezogenen Altersrente ab 63 vom 27.09.2013).

 

Häufig ziehen sich die JobCenter bei der Prüfung des Ermessens allein aufziehe sog. Unbilligkeitsverordnung zurück. Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht  (z.B.:  LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 7 AS 545/14 B ER) ist die Unbilligkeitsverordnung jedoch nicht abschließend, es liegt dann wohl ein Ermessensausfall vor.

4. Rentenantrag gestellt, obwohl man eigentlich musste?

Ungleich komplizierter wird der Fall, wenn Rente beantragt worden ist, obwohl man – z.B. aus den oben ausgeführten Gründen  gar nicht verpflichtet war. Hierzu bietet es sich an, einen    Verzicht nach § 46 SGB I  zu erklären um im Rahmen des Abs. 2 des § 46 SGB I zu überprüfen, ob ein anderer Leistungsträger (=JobCenter) umgangen wird. In Betracht kommt auch, das JobCenter zu verpflichten, den Rentenantrag zurückzunehmen (so wohl SG Cottbus Urteil vom 15.05.2014,  S 14 AS 4304/13)

Zeitgleich müsste, da SGB II-Leistungen nicht rückwirkend geleistet werden dürfen, ein SGB II- Antrag gestellt werden.