Krankengeld als laufende oder einmalige Einnahme?

Die Zahlung von Krankengeld kann lange dauern und erfolgt meist unregelmäßig.

Krankengeld wird grundsätzlich auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet. Fraglich ist nur wie: als einmalige oder als laufende Einnahme.

Dies ist besonders dann relevant, wenn die Krankengeldnachzahlung höher ist, als der Bedarf nach dem SGB II.

In einem vom SG Berlin entschiedenen Fall war dies deswegen relevant, weil das JobCenter die Zahlung nur in einem Monat angerechnet hatte -also als einmalige Einnahme- und sich deswegen keinen Leistungsanspruch ergab. Hätte das Amt dies als laufende Einnahme betrachtet, so hätte sich ein weiterer Leistungsanspruch ergeben, da diese Einnahme auf sechs Monate verteilt werden müsste.

Mit Urteil vom 25.09.2023 hat das SG Berlin entschieden, dass in diesem Fall die Krankengeldzahlung eine einmalige Einnahme ist (Urteil vom 25.09.2023 – S 123 AS 2209/22). Es führt aus, dass sich die Nachzahlung hier in einer einzige Leistung erschöpft und schließt sich so dem LSG Bayern v. 28.02.2022 – L 7 AS 40/22 B ER an.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das LSG Berlin-Brandenburg L 5 AS 1449/19 hier eine andere Auffassung vertritt. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes steht aus.

Urteil des SG Berlin vom 25.09.2023 – S 123 AS 2209/22

Verjährung auch bei Rückforderung vorläufiger Bewilligung

Bislang ist es umstritten, ob die vierjährige Verjährungsfrist auch bei Rückforderungen nach § 328 SGB III oder § 41a SGB II gilt. Hier hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 2020 entschieden (L 14 AS 553/20 B ER), dass hier eine 30 jährige Verjährungsfrist bestehen könnte .

Nunmehr hat das LSG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 30.03.2022 sich wegen des Urteiles des BSG vom 04.03.2021 neu sich dahingehend positioniert, als dass auch bei Rückforderungen nach § 40 SGB II iVm. § 328 SGB III bzw. nach § 41a SGB II gleichfalls im Grund eine vierjährige Verjährungsfrist läuft (die jedoch unter bestimmten Bedingungen auf 30 Jahre verlängert werden kann).

Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.03.2022- L 9 AS 217/22 B ER.

Verjährung von Rückforderungen nach § 328 SGB III

Nach dem Urteil des BSG zur Frage der Verjährung stellen sich nun viele Detailfragen.

So ist es umstritten, ob auch die Rückforderung von vorläufig bewilligten Leistungen nach § 40 SGB II iVm § 328 SGB III (heute: § 41a SGB II) auch innerhalb von vier Jahren verjähren.

Das SG Berlin ja nun diese Frage in seinem Urteil vom 19.11.2021 – S 129 AS 4900/20 – bejaht:

Ein Erstattungsanspruch nach § 40 SGB II iVm § 328 SGB III verjährt auch in entsprechender Anwendung der Reglung in § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB I i.V.m. § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der endgültige Festsetzungsbescheid unanfechtbar geworden ist.

Mahnschreiben erfüllen keine verjährungshemmende Wirkung

Demnach tritt immer innerhalb von vier Jahren Verjährung von Rückforderungen des JobCenters ein; eine Ausnahme besteht nur, wenn noch ein „Durchsetzungsbescheid“ ergangen ist, was jedoch in der Praxis fast nie der Fall gewesen ist.

Urteil des SG Berlin vom 19.11.2021- S 129 AS 4900/20

„Spitzabrechnung“ auch bei selbstständigen Einkommen möglich -ungeklärte Folgen bei der Anrechnung von „Corona- Soforthilfen“

Die Bewilligung bei schwankenden oder Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erfolgt bekanntermaßen zweistufig:

  • zuerst erfolgt eine vorläufige Bewilligung mit einer (ungefähren) Schätzung des Einkommens
  • dann folgt die endgültige Bewilligung (mit Aufhebung und Erstattung)

Wie das Einkommen bei der endgültigen Bewilligung berechnet wird, ist in § 41a SGB II geregelt und hierbei gilt im Grundsatz ungefähr: alles in einen Topf und durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum dividieren (in der Regel als Einkommen: 6 Monate).

Eine wichtige Ausnahme enthält jedoch § 41a Abs. 4 SGB II, der bestimmt, dass KEIN Durchschnittseinkommen in den Monaten zu bilden ist, in denen ein besonders hohes (= bedarfsdeckendes) Einkommen erwirtschaftet wird. Für diese Methode wird der Begriff der „Spitzabrechnung“ verwendet und diese kann u.U. viel vorteilhafter sein und zu niedrigeren Erstattungen führen bzw. einen höheren Leistungsanspruch in den anderen Monaten auslösen.

Bei abhängig Beschäftigen ist es ziemlich klar, wann dies der Fall ist: sofern Einkommen > Bedarf muss auf die konkrete Einnahmen in jeden Monat bei der abschließenden Bewilligung geachtet werden.

Spannend ist es jedoch, wenn bei selbstständig Tätigen in einem Monat eine besonders hohe Einnahme erfolgt. Gilt dies dann auch?

Ja, sagt das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Urteil  vom11.5.2020  –  L 18 AS 732/18,  ) – in einer recht umstrittenen Entscheidung. Hiernach reicht es auch, wenn die Einnahmen in einem Monat den Leistungsanspruch entfallen lassen.

Unbestritten ist die Frage aber in sehr eindeutigen Fällen, wenn z.B. bereits das Gesamteinkommen : 6 Monate größer ist als der Bedarf). Hier urteilte das SG Berlin, dass eine monatliche „Spitzabrechnung“ stattzufinden hat (SG Berlin- Urteil vom 3.12.2020 – S 128 AS 7217/19) .

Damit gilt wohl, dass auch bei selbstständigen Leistungsempfängern KEIN Durchschschnittseinkommen gebildet wird, wenn ihre Einnahmen in einem Monat den Leistungsanspruch entfallen lassen.

Interessant in diesem Zusammenhang (und bislang ungeklärt) ist dann die Frage, wie Corona-Soforthilfen anzurechnen sind. Diese dürften in einer Vielzahl der Fälle den Leistungsanspruch in einem Monat entfallen lassen und dann eigentlich zu einer „Spitzabrechnung“ führen. Bei den zu erwartenden stark schwankenden Einnahmen dürfte diese Betrachtung viel vorteilhafter sein, als die Bildung und Anrechnung der „Corona“ Hilfen über den gesamten Bewilligungszeitraum.

Die Null-Festsetzung nach § 41 a SGB II und die vierstelligen Rückforderungen

Als der erste Mandant mit diesem Problem ankam, dachte ich noch , ein Missverständnis läge vor: Er sollte seine abschließende Einkommenserklärung (EKS) im Jahr 2016 für das Jahr 2012 doch bitte nachreichen. Er schaffte es nicht . Folge war ein Aufhebungs-und Erstattungsbescheid, mit dem das JobCenter alle Leistungen aus dem Bewilligungszeitraum im Jahr 2012 wiederhaben wollte.

Er erhob gegen den Bescheid, mit dem das JobCenter alle Leistungen wiederhaben wollte Widerspruch ein, in der Hoffnung, dass im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen berücksichtigt werden.

 

Nicht da sagte das JobCenter !

Nach Ansicht des JobCenters gelten hier  die Arbeitsanweisungen zu § 41a SGB II.

Hiernach gilt:

„Mit einer nachträglichen Vorlage von Unterlagen nach der Wirksamkeit des Ausgangsbescheides ( § 39 SGB X) kann die Festsetzung des Anspruchs grundsätzlich nicht mehr mit dem Vortrag er- folgreich angegriffen werden, dass ein anderes Einkommen erzielt worden sei, da der Grundsicherungsträger gemäß § 41a Absatz 3 Sätze 3 und 4 zur zu dieser Festsetzung berechtigt war. Nach Bekanntgabe der Entscheidung beigebrachte Unterlagen spielen für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung keine Rolle. Maßstab ist im ggf. folgenden Widerspruchsverfahren oder im Antrag nach § 44 SGB X nur noch, ob die Festsetzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die Voraussetzungen hierfür vorlagen.“

Mit anderen Worten: Das JobCenter berücksichtigt k e i n e nachgereichten Unterlagen mehr im Widerspruchsverfahren, im Klageverfahren oder in einem Wiederaufnahmeverfahren.

 

Dies ist wohl rechtswidrig und mit dem Wortlaut des § 41 a SGB II nicht vereinbar.

Einiges spricht dagegen:

§ 41a SGB II bestimmt nämlich nach seinem Wortlaut  keine Abweichung von den sonstigen allgemeinen Regelungen des (Sozila-)verwaltungsrechtes (mithin z.B. dem Zeitpunkt der letzen mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz); noch wird bestimmt, dass § 44 SGB X nicht anwendbar ist.
Auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-. Drucksache 18/8041, S 53) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr verweist der Gesetzgeber auf § 40 SGB II iVm § 20 SGB X, betont also den Untersuchungsgrundsatz.

Juristisch betrachtet handelt es sich bei solchen Vorschriften um „Präklusionsvorschriften“ (lat. Ausschluss). Solche Ausschlussfristen sind zwar in einigen Rechtsgebieten gang und gäbe. Diese sind jedoch regelmäßig dem Wortlaut nach gekennzeichnet. Eine solche Abschlussregel läßt sich jedoch dem Gesetz nicht entnehmen.

 

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Rückforderung der gesamten Summe, obwohl dem JobCenter die Unterlagen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens Vorlagen gegen das Gesetz verstößt.

 

Den Betroffenen ist zu raten, spätestens im Widerspruchsverfahren die notwenigen Unterlagen vorzulegen, allerspätens vor Gericht.

 

(so auch: SG Berlin S 179 AS 6737/17- Revision anhängig beim Bundessozialgericht B 4 AS 39/17 R)