Das Ende des qualifizieren Mietspiegels als Berechungsgrundlage für die Kosten für Unterkunft und Heizung in Berlin ? –  Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg  vom 31.01.2018 – L 32 AS 1223/15

Nach § 22 SGB II hat das JobCenter nur die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen.

Wie diese angemessenen Kosten dann konkret zu berechnen sind, ist immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung.

In Berlin hat sich bei der ganz überwiegenden Anzahl der Kammern des Sozialgerichtes und der Senate des Landessozialgerichtes es sich eingebürgert  auf die sogenannten qualifizieren Mietspiegel abzustellen.  Es ist sozusagen herrschende Meinung (seit:  Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.03.2009- L 29 AS 1164/08).

In der Zivilgerichtsbarkeit ist man da schon ein Schritt weiter. Aus hier nicht auszuführenden Gründen (über die man spekulieren kann) weist der qualifizierte Mietspiegel nämlich einige statistische Fragwürdigkeiten auf (Werte, die durch Zufall nicht erklärt werden können), was dazu führt, dass die Mietspiegel in Berlin keine qualifizieren sind- für Zivilprozesse ist das aber auch egal, da der Richter dann eben anhand des Mietspiegels schätzen kann – es geht ja nur um Geld (Pressemitteilung des LG Berlin vom 27.10.2016).

Bislang war dies der Sozialgerichtsbarkeit nun ziemlich egal, was ihre Kollegen am Landgericht zusammenentschieden haben:  Wenn da qualifiziert draufsteht, wird schon qualifiziert drin sein.

Leider kann man in der Sozialgerichtsbarkeit nun nicht einfach „schätzen“, ja es besteht sogar das Verbot, Schätzungen ins Blaue hinein vorzunehmen, da sich das Existenzminimum nicht schätzen läßt.

Insofern hat nun einmal der 32. Senat des LSG Berlin-Brandenburg sich die Mietspiegel 2011 und 2013 einmal – zum ersten Mal-  genauer angeschaut und kam zu dem wenig erstaunlichen Befund, dass diese Mietspiegel für die Beurteilung der nach § 22 SGB II angemessenen Miete für Hartz IV-Empfänger nicht geeignet ist.

(Dies ist nebenbei bemerkt auch Ansicht des –SG Berlin vom 22.03.2013   )

Das LSG kommt zu dem Schluss, da der Mietspiegel 2011 und 2013 nicht geeignet ist, grundsicherungsrelevante Schlüsse zuzulassen.

Dies kann man hier auf 50 Seiten nachlesen:  Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg  vom 31.01.2018 – L 32 AS 1223/15.

Nun fragt sich natürlich, was für die Mietspiegel  2015 und Mietspiegel 2017 zu gelten hat.

Auf hier das Landgericht Berlin bereits Bedenken angemeldet: für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete mag man diese heranziehen und man kann schätzen, aber ob diese qualifiziert sind, weiß man nicht (PM zum Mietspiegel 2017)

Diese Urteile des LG Berlin fallen jedoch nicht vom Himmel, sondern hier steht  ein Großvermieter auf der Klägerseite, der entsprechende statistische Gutachten vorlegt. Zwar sind diese zivilrechtlich betrachtet nicht in der Lage, die Vermutenswirkung des Mietspiegels zu erschüttern, aber wohl in der Lage, sozusagen die sozialrechtliche  Vermutungswirkung zu erschüttern, die besagt, dass man immer Wohnungen zu den Preisen aus dem Mietspiegel finden kann.

Diese Gutachten (die aus entsprechenden Prozessen hier vorliegen) stellen dann z.B. zutreffend fest, dass zu wenige private Vermieter befragt werden und zu viele städtische  Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften. Dies führt dann zu einer erheblichen Verzerrung. Dies führt dann zu eben zu benannten und „mit dem Zufall nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen“.

Erstaunlich ist für mich, dass es hierfür tatsächlich fast acht Jahre gedauert hat, diesen Fehler zu erkennen: in fast jedem Prozess um die Frage der angemessenen Miete für ALG II-Empfänger kommt der Vortrag: Ich finde aber keine billige Wohnung! Dies wurde gerne vom Tisch unter dem Hinweis auf den „qualifizieren Mietspiegel“  gewischt. Jetzt weiß man auch warum.

Aber wie immer: besser zu spät als nie!

 

Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.01.2018 –  L 32 AS 1223/15 –