Auch Mietkautionen verjähren….

Bis zu einer Änderung des SGB II war es üblich, dass Mietkautionen durch die JobCenter als Darlehen – gesichert mit einer Abtretungserklärung- gestellt worden sind , aber keine Aufrechnung während des Leistungsbezuges erfolgte. Nach einem Umzug (und die passiert häufiger als angenommen) wurde vergessen, die Mietkaution zurückzufordern (oder der Vermieter verweigerte die Rückzahlung unter fadenscheinigen Gründen).

Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin nach vielen, vielen Jahren des Auszuges eine Mahnung über die Rückzahlung der Kaution. Problem: meist ist die alte Wohnung verkauft, der Vermieter nicht mehr auffindbar und falls doch, wird – was sein gutes Recht ist- Verjährung eingewandt (nach dem BGB drei Jahre).

Das nunmehr am Wohnort der Klägerin zuständige Sozialgericht Detmold entschied mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2022, dass die Rückforderung verjährt ist:

Der Geldendmachung steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens , entgegen. Gemäß § 242 BGB ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Über den Wortlaut“ hinaus enthält § 242 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach ein Verhalten jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich der andere Teil in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten setzt (venire contra factum proprium) und der andere darauf vertrauen konnte, dass er ein Recht nicht mehr geltend machen werde. Der Beklagte hat den ihm unwiderruflich übertragenen Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Vermieter innerhalb der maßgeblichen Verjährungsfrist nicht geltend gemacht. Der Klägerin war und ist eine Geltendmachung aufgrund der Abtretung nicht möglich

Gerichtsbescheid des SG Detmold vom 15.06.2022 – S 35 AS 520/21

Verjährung von Rückforderungen nach § 328 SGB III

Nach dem Urteil des BSG zur Frage der Verjährung stellen sich nun viele Detailfragen.

So ist es umstritten, ob auch die Rückforderung von vorläufig bewilligten Leistungen nach § 40 SGB II iVm § 328 SGB III (heute: § 41a SGB II) auch innerhalb von vier Jahren verjähren.

Das SG Berlin ja nun diese Frage in seinem Urteil vom 19.11.2021 – S 129 AS 4900/20 – bejaht:

Ein Erstattungsanspruch nach § 40 SGB II iVm § 328 SGB III verjährt auch in entsprechender Anwendung der Reglung in § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB I i.V.m. § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der endgültige Festsetzungsbescheid unanfechtbar geworden ist.

Mahnschreiben erfüllen keine verjährungshemmende Wirkung

Demnach tritt immer innerhalb von vier Jahren Verjährung von Rückforderungen des JobCenters ein; eine Ausnahme besteht nur, wenn noch ein „Durchsetzungsbescheid“ ergangen ist, was jedoch in der Praxis fast nie der Fall gewesen ist.

Urteil des SG Berlin vom 19.11.2021- S 129 AS 4900/20

Verjährung der Forderung der JobCenter und der Bundesagentur für Arbeit

In der Instanzgerichtsbarkeit (Sozialgerichte und Landessozialgerichte) war bislang weitestgehend geklärt, dass bestimmte Rückforderungen der JobCenter innerhalb von vier Jahren nach Erlass des Rückforderungsbescheides verjähren können (Verdamp lang her, verdamp lang her….. Verjährung von Erstattungsforderungen im SGB II oder „Schadenmanagement“ durch Rechtsprechungsvermeidung?“ (Verdamp lang her II) oder Verjährung und Mahngebühren )

Nachdem sich die Bundesagentur für Arbeit um eine höchstrichterliche Entscheidung – nun ja – rumdrückte, urteilte das Bundessozialgericht am 04.03.2021 ausweislich des Terminberichtes vom diesem Tage:

Die Revision der Beklagten ist aber unbegründet, soweit die Vorinstanzen festgestellt haben, dass die mit den Erstattungsbescheiden geltend gemachten Forderungen verjährt sind. § 50 Abs 4 Satz 1 SGB X verknüpft den Beginn der Verjährung bei Ansprüchen eines Sozialleistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen mit einem den Erstattungsanspruch konkret festsetzenden schriftlichen Verwaltungsakt im Sinne des § 50 Abs 3 SGB X und dessen Unanfechtbarkeit. Die vierjährige Verjährungsfrist bewirkte den Eintritt der Verjährung mit Beginn des Jahres 2016. Die Klägerin hat sich auf die Verjährung berufen, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre.

(Terminbericht Verhandlung  B 11 AL 5/20 R )

Verdamp lang her, verdamp lang her….. Verjährung von Erstattungsforderungen im SGB II

Auch Rückforderungsansprüche der JobCenter verjähren, die Frage ist nur: wann?

Nach § 50 SGB X ist dies  in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist, der Fall (meist also einen Monat nach Bekanntgabe). Danach tickt die Uhr für die Verjährung.

Um die Verjährung auf 30 Jahre zu dehnen, bedarf es eines weiteren Verwaltungsaktes nach § 52 SGB X .

Dieser „Durchsetzungsverwaltungsakt“ wurde jedoch in der Vergangenheit häufig (bzw. gar nicht) erlassen

 

In seine  Beschluss vom 14.12.2018, L 34 AS 2224/18 B ER hat das LSG Berlin-Brandenburg daher den Einwand der Verjährung greifen lassen, wenn der Durchsetzungsbescheid fehlt.

 

Das SG Potsdam hat sich in seine Beschluss vom 28.08.2019 dem sich auch angeschlossen.

Meist ist die Forderung von den Betroffenen schon vergessen worden, da es den Eindruck hat, dass die Bundesagentur für Arbeit, Inkasso-Service würde zur Zeit viele Altforderungen mittels Zahlungserinnerungen geltend machen, die meist diffus noch „weitere Unannehmlichkeiten“ ankündigen (meist die Vollstreckung durch das Hauptzollamt).

 

Mit den beiden Beschlüssen dürfte jedoch hinsichtlich  von Forderungen die sehr alt sind, der Einwand der Verjährung greifen.

 

Beschluss des SG Potsdam vom 28.08.2019- S 23 AS 521/19 ER